Angesichts der Grösse und des globalen Einflusses der Schweiz müssen wir unsere Aktionsfelder mit Bedacht wählen, agil bleiben und uns anpassen.

Stefan Kuhn, Partner, Head of Tax & Legal

Jahrelang haben Länder wie Irland, Singapur und die Schweiz die Messlatte im als «Race to the Bottom» bezeichneten internationalen Steuerwettbewerb immer tiefer gelegt. Das erste BEPS-Projekt hat diese Entwicklungen ausgebremst – und mit Säule 2 ist nun alles zum Stillstand gekommen. In einigen Fällen wurde sogar der Rückwärtsgang eingelegt.

Der Kampf um die niedrigsten Steuersätze ist einem neuen Wettlauf – diesmal nach oben – um staatliche Subventionen und Zuschüsse gewichen. Während die Schweiz auf der Mindestbesteuerungswelle reitet, schliesst sie sich gleichzeitig Ländern an, die Subventionen, Zuschüsse und sogenannte «qualified refundable tax credits» (QRTCs) für den Erhalt und die Verbesserung ihrer Standortattraktivität einsetzen.


Auf der Mindeststeuerwelle reiten

Die Einführung einer globalen Mindeststeuer – auch in der Schweiz – hat bereits eine Flut von Gesetzesänderungen ausgelöst. Die damit verbundene Verschiebung der steuerlichen Wettbewerbslandschaft erhöht den Stellenwert von Subventionen um ein Vielfaches.

Bei einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent gibt es weniger Spielraum, sich als attraktiver Niedrigsteuerstandort zu positionieren. Sowohl international als auch in der Schweiz beobachten wir einen Trend zum Subventionswettbewerb, wobei in verschiedenen Szenarien mehr Subventionen und QRTCs möglich sind.  Diese Entwicklung könnte trotz Mindeststeuer zu einer Art «Steuerwettbewerb durch die Hintertür» führen.

Die Schweiz wird sich wohl oder übel daran beteiligen müssen, sollte sich aber der begrenzten Möglichkeiten bewusst bleiben. Subventionen haben direkte Kostenfolgen und können ihr Ziel verfehlen. Die Schweiz kann keine Industriepolitik wie grosse Länder betreiben. Stattdessen sollte sie sich auf den gezielten Einsatz von QRTCs für multinationale Unternehmen in wertschöpfungsrelevanten Bereichen konzentrieren. So kann sie eine internationalisierte Wirtschaft fördern und sich auf ihre Stärken besinnen, um Einnahmen durch Wirtschaftswachstum zu generieren. 

Mindestbesteuerung – Stand der Umsetzung

Nur ca. 30 von über 130 Ländern, die am Säule-2-Projekt der OECD/G20 teilnehmen, haben Mindeststeuerregeln ab 2024 eingeführt.

Neben EU-Mitgliedstaaten handelt es sich um Länder wie Korea, Norwegen,  Grossbritannien und Vietnam. Andere Länder wie Hongkong, Malaysia und Singapur planen die Einführung ab 2025.

Fortschritt in der Schweiz

Die Schweiz zählt zu den ersten Säule-2-Ländern. Nach der Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 zur diesbezüglichen Verfassungsänderung hat der Bundesrat am 22. Dezember 2023 die Mindestbesteuerungsverordnung erlassen. Auch wenn der Bundesrat den Forderungen nach einem Aufschub nicht nachgekommen ist, gilt lediglich die schweizerische Ergänzungssteuer QDMTT für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2024.

Auf die Einführung der internationalen Ergänzungssteuern IIR und UTPR wurde vorerst verzichtet, obwohl schon feststand, dass Letztere wohl nicht mehr 2024 kommen wird, da die meisten anderen Länder deren Einführung – wenn überhaupt – erst ab 2025 planen.

Teilnahme noch ungewiss

Bei einigen wichtigen Ländern wie Brasilien, China, Indien und den USA ist noch unklar, ob und ab wann Mindeststeuerregelungen eingeführt werden. Ob sich die globale Mindeststeuer längerfristig durchsetzen wird, hängt auch davon ab, ob sich diese Länder in absehbarer Zeit am Projekt beteiligen.

Bis dahin könnten multinationale Unternehmen von einer Mindeststeuer ausgenommen sein – solange sich ihre Präsenz auf nicht teilnehmende Länder beschränkt oder keine UTPR gilt. 

Einkommenssteuerkategorien

Persönliche Einkommenssteuer

Die Einkommenssteuer für natürliche Personen in der Schweiz und im Ausland ist grundsätzlich stabil, der durchschnittliche Steuersatz ändert sich lediglich um 0,72 Prozent.

Im europäischen Kontext bleiben die Zentralschweizer Kantone wettbewerbsfähig und können sich gegen Steueroasen wie Jersey und die Isle of Man behaupten.

Weltweit bieten traditionelle Offshore-Domizile sowie Hongkong und Singapur weiterhin die attraktivsten Steuersätze.

Gewinnsteuer für Unternehmen

Im europäischen Vergleich bleiben die Zentralschweizer Kantone wettbewerbsfähig und liegen weiterhin vor Niedrigsteuerländern wie Irland und Zypern.

Verschiedene Länder in Nord-, West- und Südeuropa sind auch 2024 führend.

Weltweit führen die traditionellen Offshore-Domizile die Rangliste der steuerlich attraktivsten Länder bzw. Hotspots an.